Bei der weiblichen Genitalverstümmelung – international als Female Genital Mutilation (FGM) oder Female Genital Cutting (FGC) bezeichnet – handelt es sich um eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung an Mädchen und Frauen. Diese Verstümmelung wird in unterschiedlichen Ausformungen traditionellerweise in Afrika, vereinzelt im Süden der Arabischen Halbinsel und in einigen Ländern Asiens praktiziert.
Die WHO geht von 200 Millionen betroffenen Frauen und Mädchen weltweit aus. In Österreich leben rund 11.000 von FGM betroffene Frauen und Mädchen. 49 Prozent stammen aus Ägypten, 26 Prozent aus Somalia, 6 Prozent aus Nigeria, 4 Prozent aus dem Irak und 3 Prozent aus Äthiopien sowie 12 Prozent aus weiteren Ländern. Mehr als die Hälfte der Betroffenen lebt in Wien, gefolgt von Oberösterreich, der Steiermark und Tirol. In Österreich sind 14 bis 26 Prozent der 0- bis 18-jährigen Mädchen mit Migrationshintergrundaus einem Land, in dem FGM praktiziert wird, potenziell von Genitalverstümmelung bedroht. Das sind zwischen 1.704 und 3.023 Mädchen (Jirovsky-Platter et al. 2024).
FGM ist ein Thema, das einerseits in von FGM betroffenen Communitys häufig tabuisiert wird und andererseits bei medizinischem Fachpersonal für Verunsicherung sorgt. Das befragte Gesundheitspersonal berichtet über Hemmungen, FGM bei Patientinnen anzusprechen, und wünscht sich mehr Aus- und Weiterbildungsangebote zu den FGM-Typen und zur gesetzlichen Lage in Österreich. Als Patientinnen fühlen sich von FGM betroffene Frauen einem diskriminierenden „Othering“ ausgesetzt, sie vermissen entsprechendes Wissen beim ärztlichen Personal, das von sich aus FGM nicht ansprechen würde. Community-Leader:innen wünschen sich mehr Ressourcen für die Aufklärungsarbeit und die Einbeziehung der Männer in die Awareness-Arbeit (Jirovsky-Platter et al. 2024).
Zur Studie von Jirosky-Platter et al.: Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C) in Österreich
Anlaufstellen
Die österreichweite FGM/C Koordinationsstelle steht Hilfesuchenden, Expertinnen und Experten sowie Fachkräften und Communitys als Anlaufstelle zur Verfügung und bietet Beratung, Information und Unterstützung bei allen Fragen zum Thema weibliche Genitalverstümmelung.
In Österreich liegt der Schwerpunkt bei der FGM-Bekämpfung auf umfassender Aufklärungs- und Informationsarbeit sowie psychosozialer Unterstützung. Überdies besteht die Möglichkeit, eine ganzheitliche Behandlung durch ein engagiertes Team von erfahrenen Gynäkologinnen/Gynäkologen, Plastischen Chirurginnen/Chirurgen, Psychologinnen/Psychologen und Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern in spezialisierten FGM-Ambulanzen in Anspruch zu nehmen. Mit jeder Patientin wird individuell abgeklärt, welche (operative) Therapie empfohlen wird.
Anlaufstellen für weibliche Opfer von Genitalverstümmelung in Österreich
Handlungsempfehlungen für den klinischen Bereich
Der FGM-Beirat der Stadt Wien hat „Handlungsempfehlungen zur Betreuung von FGM/C-betroffenen Frauen und Mädchen in Österreich“ herausgegeben, die medizinisches, geburtshilfliches, psychosoziales und juristisches Know-how zur Betreuung von Schwangeren und Patientinnen, die von FGM betroffen sind, umfassen. Unter den Autorinnen sind Ärztinnen von vier FGM-Ambulanzen. Neben dem medizinischen Management von durch FGM verursachten gesundheitlichen Komplikationen wie Harninkontinenz oder Menstruationsproblemen stehen die Entbindung ohne Kaiserschnitt bei Schwangeren, die von FGM betroffen sind, das Anamnesegespräch, die Aufklärung der Patientinnen und die psychosoziale Begleitung im Zentrum. Damit soll die Entwicklung medizinischer Leitlinien in der Gynäkologie und Geburtshilfe angestoßen werden.
Handlungsempfehlungen zur Betreuung von FGM/C-betroffenen Frauen und Mädchen in Österreich, 2024
Weiterführende Infos:
Folder FGM Weibliche Genitalverstümmelung