Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich erheblich von der Arbeit mit erwachsenen Gewaltopfern. Daher sind im Rahmen der Kinderschutzarbeit spezielle Strukturen und Fachkräfte erforderlich.
Kinderschutzgruppen (KSG) sind für Krankenanstalten mit Abteilungen für Kinder und Jugendliche seit 2004 gesetzlich verpflichtend einzurichten und sie stellen die erste interdisziplinäre fachspezifische Anlaufstelle für Kinderschutz im Gesundheitssystem dar. Eine vollständige Liste der Kinderschutzgruppen in Österreich nach Bundesländern finden Sie hier.
Weitere wichtige Systempartner sind neben den Kinderschutzgruppen unter anderem die Kinder- und Jugendhilfe, Kinderschutzzentren und die Prozessbegleitungsstellen.
Herausforderungen in der Kommunikation
Ein wesentlicher Unterschied bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besteht darin, dass diese oft Schwierigkeiten haben, Gewalt als solche zu erkennen und ihre Erfahrungen verbal zu kommunizieren (u. a. aufgrund von sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten, Wissen, Scham, Angst, Loyalitätskonflikten). Fachkräfte sind daher dazu angehalten, besonders aufmerksam auf nonverbale Signale wie Verhaltensänderungen oder psychosomatische Beschwerden zu achten, ohne jedoch vorschnell auf Gewalt zu schließen, da solche Auffälligkeiten oft vielfältige Ursachen haben können. Gerade Kinder und Jugendliche erfahren Gewalt häufig innerhalb ihres nahen Umfelds bzw. in der Familie und haben daher oft große Angst, über Erlebtes zu sprechen. Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung und Sicherheit vermittelnde Rahmenbedingungen innerhalb der Betreuung sind daher essenziell. Im Gegensatz zu Erwachsenen, die eigenständig Hilfe suchen können, sind Kinder und Jugendliche auf das Einschreiten von Erwachsenen angewiesen. Daher müssen Fachkräfte nicht nur reaktive Unterstützung leisten, sondern auch präventiv tätig werden, um mögliche Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Aufgrund der Suggestibilität von Kindern und Jugendlichen sind in der Gesprächsführung einige Besonderheiten zu beachten. Die Abklärung sollte daher im Idealfall von geschulten Fachpersonen durchgeführt werden. Bei der Exploration zum Geschehen sollten offene Fragen in Form von Erzählaufforderungen gestellt werden. Geschlossene Fragen sollten nur, wenn nicht anders möglich, und sehr sparsam eingesetzt werden. Insbesondere suggestiv wirkende Fragen und Einflüsse müssen vermieden werden, das Einnehmen einer ergebnisoffenen Haltung ist daher im Kinderschutz von großer Bedeutung.
Gewalt im Kontext von Partnergewalt
Besondere Aufmerksamkeit erfordert auch die Situation von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Partnergewalt. Kinder und Jugendliche, die Gewalt erleben oder Zeuginnen bzw. Zeugen von Gewalt werden, etwa im Rahmen familiärer Konflikte, tragen oft langfristige emotionale und psychische Schäden davon. Daher ist es wichtig, dass bei der Betreuung von Erwachsenen, die von Gewalt betroffen sind, immer nach Kindern im gemeinsamen Haushalt gefragt wird und ggf. auch die Situation der Kinder berücksichtigt wird. Auch die Zeugenschaft von häuslicher Gewalt ist eine Form der Gewalt an Kindern und Jugendlichen.