​​​​​​​Datenerfassung und Analyse

Es gibt im Gesundheitssystem kein adäquates Instrument, um Daten zur Versorgung von durch häusliche Gewalt Betroffenen zu erfassen, was z. T. davon abhängt, dass es nur im stationären Bereich eine verbindliche Diagnosedokumentation nach ICD-10 (International Classification of Diseases) gibt. Da ein Großteil der Verletzungen aufgrund häuslicher Gewalt ambulant behandelt wird, werden die meisten Fälle nicht erfasst (BMGF 2016a; BMGF 2016b). Eine fundierte Datenlage ist aber eine wichtige Voraussetzung, um den Versorgungsbedarf im Gesundheitsbereich zu erkennen sowie weitergehende Präventions- und Interventionsangebote zu entwickeln. Wichtig wäre daher eine durchgehende Dokumentation und Datenerfassung nach ICD-10) in allen OSG (BMG 2013).

ICD-10-Klassifikation

  • T74.: Misbrauch von Personen

    Satz ergänzen: Wichtig wäre daher eine durchgehende Dokumentation und Datenerfassung nach ICD-10) in allen OSG (BMG 2013).

  • T74.0: Vernachlässigen oder Imstichlassen
  • T74.1: Körperlicher Missbrauch
    • Ehegattenmisshandlung o.n.A.
    • Kindesmisshandlung o.n.A
  • T74.2: Sexueller Missbrauch
  • T74.3: Psychischer Missbrauch
  • T74.8: Sonstige Formen des Missbrauchs von Personen
    • Mischformen
  • T74.9: Missbrauch von Personen, nicht näher bezeichnet
    • Schäden durch Missbrauch: eines Erwachsenen o.n.A.
    • Schäden durch Missbrauch: eines Kindes o.n.A.

Systematische Datenerfassung

Durch die Dokumentation (z. B. MEDPOL-Dokumentationsbogen) wird von Opferschutzgruppen viel Information gesammelt. Die jährliche Datenauswertung liefert Vergleichsdaten bezüglich Anzahl der behandelten Gewaltopfer, deren Verletzungsfolgen etc. Anhand dessen können Rückschlüsse auf den Versorgungsbedarf gezogen werden. Grundsätzlich werden die erfassten Daten erst durch Standardisierung und Strukturierung mittels eines Dokumentationssystems vergleichbar. Nachdem die Opferschutzgruppen derzeit unterschiedliche Daten in unterschiedlichen Dokumenten erheben, ist eine vergleichende Analyse schwierig bis unmöglich (Schleicher 2019).

Als Mindeststandard hinsichtlich der Datenerfassung wird in den Erläuterungen der Istanbul-Konvention zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt die Erfassung folgender Daten empfohlen (Council of Europe 2011):

  • Geschlecht des Opfers
  • Alter des Opfers
  • Geschlecht des Täters / der Täterin
  • Alter des Täters / der Täterin
  • Beziehungsverhältnis zwischen Täter/-in und Opfer
  • Art der Gewalt (entsprechend der ICD-Codierung)
  • Ort der Gewaltausübung 

Für die Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sind gesundheitspolitische Maßnahmen in Österreich dringend erforderlich, wie in der Istanbul-Konvention (Council of Europe 2011) gefordert und im GREVIO-Staatenbericht Österreich unterstrichen (BMGF 2016a; BMGF 2016b). Die systematische Erfassung vergleichbarer Daten aller relevanten administrativen Quellen sowie von Informationen über die Prävalenz jeglicher Formen von Gewalt gegen Frauen ist dafür von größter Bedeutung (BMGF 2016a; BMGF 2016b).

Neben der Datenerfassung zur Falldokumentation bzw. zu statistischen Zwecken für die Gewaltprävention wird auch die Planung einer systematischen Datenerfassung zur Leistungsdokumentation der Opferschutzgruppen empfohlen. Diese ist den jeweiligen Berichtsanforderungen der Krankenanstalten-Träger / -Leitungen anzupassen.

Praxisbeispiel für eine elektronische Datenerfassung: Elektronisches Gewaltopferbetreuungsdokument des Kepler Universitätsklinikums Linz

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