Betroffene von Menschenhandel

Menschenhandel und Ausbeutung sind Realität in Österreich, wobei die Betroffenen überwiegend in der Prostitution, im Baugewerbe, in Haushalten oder in der Bettelei anzutreffen sind (BKA 2017). In Fällen körperlicher und sexueller Gewalt werden die Opfer meistens von ihren Peinigern in die Ambulanz geführt. Die medizinische Untersuchung ist eine große und oftmals die einzige Chance, um Menschenhandelsopfer zu identifizieren – und damit dem Opfer zu einem möglichen Ausstieg zu verhelfen. 

Menschenhandel in Österreich

Die Identifizierung von Opfern stellt die größte Herausforderung dar. Nur geschulte und sensibilisierte Gesundheitskräfte können mögliche physische und psychische Hinweise als auch typische Begleitumstände richtig deuten. Vom Menschenhandel Betroffene können sowohl weiblich als auch männlich sein. Gerade zum Zweck der Bettelei haben Betroffene oftmals einen schlechten physischen Zustand und in vielen Fällen eine massive Körperbehinderung.

Grundlegende Indikatoren für Menschenhandel sind:

  • Unklarheit, in welcher Beziehung die Patientin / der Patient zur Begleitperson steht
  • Begleitung durch eine Person, die durch aggressives Verhalten auffällt oder bei sämtlichen Gesprächen und Untersuchungen dabei sein will
  • Patient/-in äußert sich in einer unbekannten Sprache, blickt ängstlich um sich und vermeidet jeglichen Blickkontakt
  • Patient/-in wirkt selbst aggressiv oder dissozial oder sagt selbst nichts
  • Patientin wird zur Abtreibung offensichtlich überredet/gezwungen
  • Die vorgebrachten Erklärungen zu den vorliegenden Verletzungen oder Erkrankungen sind unzureichend oder unschlüssig.
  • Patient/-in verfügt über keinen Versicherungsschutz und kann oder will keine Angaben zum Arbeitgeber machen   
  • Patient/-in hat keine Papiere und/oder kein Mobiltelefon bei sich
  • Patient/-in will keinesfalls im Spital aufgenommen werden und fürchtet Behördenkontakt
  • Bei Minderjährigen ist der Befund einer STD (sexuell übertragbare Krankheit) immer suspekt.

Vermuten Sie ein Ausbeutungsverhältnis zwischen Patient/-in und Begleitperson, ist die sofortige Trennung von der Begleitperson notwendig. Zur Überwindung von Sprachbarrieren bedarf es des Einsatzes eines Video-Dolmetschdienstes, einer kultursensiblen Krankenhausmitarbeiterin / eines kultursensiblen Krankenhausmitarbeiters mit adäquaten Sprachkenntnissen und Dolmetschkompetenz bzw. professioneller Dolmetscher/-innen (vgl. Gewaltopfer mit Migrationshintergrund).

Mehrheitlich sind die Opfer von Menschenhandel verletzlich und labil sowie misstrauisch gegenüber Institutionen, von denen sie Repressalien fürchten. Deshalb bedarf es mehr Zeit bei der Anamnese und der Untersuchung, um das Vertrauen des mutmaßlichen Opfers zu gewinnen. Mit vorsichtigen Fragen können Informationen über die Lebenssituation der Patientin / des Patienten gesammelt werden.

Die im Gesundheitswesen tätigen Fachpersonen sollen dafür sensibilisiert werden, unter ihren Patientinnen und Patienten potenzielle Opfer von Menschenhandel zu erkennen und mit ihnen richtig umzugehen. Dazu bedarf es spezifischer Fort- und Weiterbildungen.

Die medizinischen Fachpersonen können auch selbst bei Opferschutzeinrichtungen anrufen, um sich in Zweifelsfällen beraten zu lassen, wie sie richtig vorgehen sollen.

In den Fällen, in denen sich Patientinnen/Patienten vertrauensvoll öffnen, ist es möglich, über die Rechtslage und über Unterstützungseinrichtungen zu informieren und nach erfolgter Zustimmung einen direkten Kontakt zwischen Betroffenen und der Opferhilfeeinrichtung herzustellen.

Kontaktadressen von Organisationen, die Betroffene von Menschenhandel in Österreich unterstützen

Wenn Patientinnen/Patienten aus Angst keine Auskünfte zu den Verletzungsursachen geben wollen, besteht für die Gesundheitskräfte die Möglichkeit, entsprechende Flyer der Opferschutzeinrichtungen (z. B. LEFÖ oder MEN VIA) zu übergeben. Dabei ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass auch zu einem späteren Zeitpunkt die Unterstützung in Anspruch genommen werden kann.

  • das potenzielle Opfer von der Begleitperson trennen
  • bei Minderjährigen: nach Tagesablauf, Schulbesuch fragen
  • Sprachprobleme durch Videodolmetsch, fremdsprachige/n Mitarbeiter/-in, interkulturelle/n Dolmetscher/-in beseitigen; im besten Fall hat die dolmetschende Person das gleiche Geschlecht wie die Patientin / der Patient
  • eine Vertrauensbasis im Gespräch und bei der Untersuchung schaffen: geduldig sein, sich Zeit lassen, keinen Druck ausüben
  • die Patientin / den Patienten über die Rechte und Unterstützungsangebote informieren: LEFÖ-IBF und MEN VIA (anonym-freiwillig-kostenfrei)
  • eine Notfallkarte/Pocketkarte mit Kontaktadressen überreichen
  • die Kontaktherstellung zu Opferschutzeinrichtungen (z. B. LEFÖ-IBF, MEN VIA) proaktiv anbieten
  • für die Sicherheit des Opfers und der Gesundheitskräfte sorgen
  • nur nach ausdrücklicher Zustimmung eine Opferschutzeinrichtung oder die Polizei
    kontaktieren

vgl.: https://www.fedpol.admin.ch/fedpol/de/home/kriminalitaet/menschenhandel/kampagne/anzeichen.html

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