​​​​​​​Untersuchen und Dokumentieren

Für eine fachgerechte klinische Untersuchung und gezielte Spurensicherung ist – in Ergänzung zur klinischen Anamnese – eine für das Gewaltereignis spezifische Anamnese zu erheben. Neben der Befragung zur Vorgeschichte bedarf es einer genauen Beschreibung des Tathergangs. Der gegenständliche Vorfall sollte mit den eigenen Worten der Patientin / des Patienten festgehalten werden, damit die Angaben Authentizität haben (Berzlanovich et al. 2017b; Berzlanovich 2018; DGGG 2013; Gynécologie Suisse 2009; OEGGG 2018; WHO 2003).

Hervorzuheben ist, dass nicht nur die medizinisch zu versorgenden Verletzungen, sondern auch die aus therapeutischer Sicht nicht relevanten Bagatelltraumen (z. B. Kratzer am Hals, kleine Hämatome an der Innenseite der Oberarme und Oberschenkel, Auflagespuren, Verbrennungen durch Zigaretten, Bissverletzungen) wichtige Beweise für erlittene Gewalt sind. Deshalb sind alle Verletzungen und Beschwerden detailliert und für außenstehende Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren und durch die Fotodokumentation zu bekräftigen. Hierbei muss eine objektive Beschreibung der Verletzungen durchgeführt werden. Eine Interpretation über die mögliche Entstehung der Befunde darf nicht erfolgen. Ebenso darf in die Dokumentation keine Beurteilung darüber einfließen, ob das Verletzungsbild mit dem geschilderten Vorfall übereinstimmt oder nicht.

Versorgungsweg bei Gewalt in Paarbeziehungen (häusliche Gewalt)

Online-Training zu klinisch-forensischen Untersuchungen (Englisch) aus dem RiVi Projekt: Rights of Victims of Survived Bodily Harm and Improved Access to Clinical Forensic Examinations.

Bei sexueller Gewalt sind die DNA-Spuren nur dann verwertbar, wenn die Untersuchung und die Sicherung der Spuren in relativ engem zeitlichen Kontext zum Delikt stattgefunden haben, z. B. sind Spermien in der Vagina ca. 72 Stunden nachweisbar, bei Oral-/Analverkehr bis zu 24 Stunden.

Ein besonderes Augenmerk ist auf sexuell übertragbare Krankheiten (HIV, Hepatitis B und C, Syphilis, Gonorrhö etc.) und das mögliche Vorliegen einer Schwangerschaft zu legen. Wenn gewünscht, kann die „Pille danach“ verschrieben werden. Folgeuntersuchungen sind nach zwei Wochen sowie nach einem, drei und sechs Monaten empfehlenswert.

Versorgungspfade für die Erstversorgung nach sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung

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