Die Ursachen für häusliche Gewalt liegen v. a. in den vorherrschenden kulturellen Rollenbildern für Frauen und Männer und im daraus resultierenden Machtungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Zwar gibt es auch Gewalt bei gleichgeschlechtlichen Paaren, unter Geschwistern und von Frauen gegen Männer, doch steht hinter solchen Fällen nicht der Anspruch, gesellschaftlich sanktionierte Machtstrukturen aufrechtzuerhalten, und sie sind statistisch gesehen nur von untergeordneter Bedeutung. Verschiedene Faktoren wie soziale Probleme, Arbeitslosigkeit und Alkoholmissbrauch können Mitauslöser sein oder die Gewalt verstärken, sind aber nicht mit den Ursachen zu verwechseln (Gynécologie Suisse 2009). Frauen ertragen Partnergewalt oft über mehrere Jahre aus falsch verstandener Verantwortung gegenüber der Familie bzw. den Kindern. Vielfach sind Gewaltopfer außerstande, sich zur Wehr zu setzen, da sie von Angst, Scham und Schuldgefühlen erfüllt sind, die auf Dauer das Selbstwertgefühl schwächen. Wiederholte Gewaltausübung in der Partnerschaft geht oft mit einer Steigerung der Intensität der Gewaltanwendung einher bis hin zu Tötungsdelikten.
Vielfach erhöhen komplexe Problemlagen und soziale und ökonomische Krisen in Zusammenhang mit kulturellen Dynamiken, Veränderungen in der Paarbeziehung, innerfamiliären Machtgefällen, Abhängigkeiten und Isolation die Gefahr von Gewaltübergriffen. Zu solchen Risikofaktoren zählen (geplante) Trennung, Schwangerschaft und Mutterschaft, Krankheit, Behinderung, Alter, Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Staaten und Fluchthintergrund mit ungesichertem bzw. befristetem Aufenthaltsstatus.
Häusliche Gewalt tritt in allen Bildungs- und Einkommensschichten auf. Sie existiert in allen Altersgruppen, Nationalitäten, Religionen und Kulturen. Häusliche Gewalt basiert auf einer emotionalen und/oder finanziellen Abhängigkeit zwischen Gewalttäter/-in und Opfer. Es kann sogar zur Solidarisierung mit dem Täter / der Täterin, dem sog. „Stockholm-Syndrom“ kommen. Bei Trennung und Scheidungsabsichten ist die Gefahr, getötet zu werden, um ein Vielfaches höher. Laut WHO sterben Frauen eher durch die Hand des eigenen Partners oder Ex-Partners als durch Krieg, Unfall oder Krankheit.